Freitag, 19. August 2016

Mein Knödel-Glück

Was ist Glück? Es gibt Bücher, ach was, ganze Buchreihen zu diesem Thema. Zeitschriften werben mit den Schlagworten "Glück, leicht gemacht" oder "der Weg zum großen Glück". Ich nehme diesen Lesestoff nicht in die Hand, weil ich mir bewusst bin, dass es eine reine Definitionssache ist. Für den einen ist Glück ein Lottogewinn, der andere ist glücklich über ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Für Eltern ist es Glück, wenn das Kind nicht von der Schaukel gefallen ist, für andere sind die reduzierten Prada-Schuhe das höchste Glück.

Ich habe im Urlaub Glück gehabt: Wir waren in Bayern und haben dort zwei Wochen voll mit Leckereien erlebt. Ich war im siebten Himmel, als ich eine Zwetschgen-Nudel beim Bäcker kaufte, schwelgte in Kümmel- und Bauernbrot-Erinnerungen mit dick Butter und Käse belegt, trank "weiße Limo" und schwärmte vor meinem Mann und den beiden Kindern von meiner (kulinarischen) Kindheit in Augsburg ("schaut, Kinder, das sind Apfelkiachle! Die hab ich als Kind geliebt!"). Am besten war allerdings, dass die Wirtschaft neben unseren Ferienhaus die ganz ursprüngliche Küche angeboten hat. Keine Gemüschen-an-Kartöffelchen-mit-Sößchen-Gerichte, auch keine XXL-Portionen oder Multikulti-Küche a'la griechisch-thailändisch-italienische-Küche-wir-machen-alles-mit-der-entsprechenden-Gewürzmischung. Es gab Brotzeitteller, hausgemachte Spätzle, Knödel, Braten, Salat und Suppe. Hausmannskost aus Bayern, aber auch wirklich hausgemacht. Wir wussten, welcher Bauer das Fleisch lieferte, die Soßen waren selbstgemacht, auch die Knödel wunderbar unperfekt von Hand gerollt (aber so lecker!) - aber das beste war, dass in dieser Wirtschaft kein Geschmacksverstärker verwendet wurde.

Ich reagiere seit vielen Jahren auf Glutamat und Co und bin hier in der schönen Pfalz zum Eremit der Restaurantbesucher geworden. Sind wir irgendwo eingeladen oder gehen essen (egal ob Imbiss oder Edel-Restaurant), ich sitze meist vor einem Teller Salat ohne alles und komme mir vor wie Sally (von Harry und Sally), die die komplette Rezeptur über den Haufen wirft: "Bitte einmal den Salatteller, aber bitte ohne Schinken und Dressing. Dafür bitte mit Essig und Öl. Ach, sie haben die Salate bereits mariniert? Ist da ein Geschmacksverstärker drin? Ach, das wissen Sie nicht.. Okay, dann bitte eine Portion Pommes. Aber bitte nur mit Salz und nicht mit Pommesgewürz (da ist auch Glutamat drin). Ach so, sie haben nur eine Schüssel für die Pommes und die ist schon kontaminiert und sie möchten keine weitere schmutzig machen? Dann bitte ein Korb trockenes Brot.". So (oder ähnlich) waren meine Erfahrungen der letzten 12 Jahre. Manchmal habe ich Glück (womit wir wieder beim Thema wären), dennoch ist es meist wenig Vergnügen, essen zu gehen.

Ganz anders in diesem Urlaub! Ich konnte ESSEN! Einfach so! Ich war die letzten 6 Jahre zusammengenommen weniger im Restaurant, als in diesem Urlaub! Und ein Kartoffelknödel mit Soße, dazu ein kleines Stück Braten - pures Glück!